Das Pro Carton PROPAK Austria Marketing Event „All in für die Kreislaufwirtschaft“ am 4. Oktober 2022 war ein in jeder Hinsicht nachhaltiger Abend. Weil drei der besten Fachleute ihrer Zunft am Podium standen: Horst Bittermann aus der Kartonindustrie, Franz Predl aus der Entsorgerbranche und Bio-Marketingexpertin Martina Hörmer. Die Preisverleihung zum Carton Austria Award rundete den fulminanten Abend ab.
Horst Bittermann, Director General von Pro Carton, eröffnete den Abend mit einem Überblick über die aktuelle Lage.
„Lieferkettenprobleme und Preiserhöhungen haben schon mit der Pandemie begonnen. Schlimmer noch als die Preissteigerungen treibt uns die Sorge um, dass irgendwann womöglich gar kein Gas mehr da ist. Und auch die hohe Inflation bereitet uns Kopfzerbrechen, denn nicht nur die Preise steigen, auch die Finanzierung von Investitionen wird sehr schwierig. Aber wir haben Resilienz bewiesen und unsere Kunden bisher gut versorgen können.
Das Thema der Zukunft ist klar: Nachhaltigkeit ist uns heute wichtiger denn je, weil wir die Umweltprobleme jetzt bereits selbst spüren. Plastikflut und Müllberge verursachen zudem hohe Kosten. Was gibt es Schöneres, als wenn die Konsumenten wissen, dass sie einen Stoff zurückgeben können, der als Wertstoff behandelt wird und wieder zum Einsatz kommt?“
Der Kreis wächst: Altpapier ist KEIN Abfall
Franz Predl
Vorstandsmitglied im Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VÖEB) und Landesverantwortlicher Österreich der FCC Environment Group
„In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen sehr stark verändert, beginnend mit dem chinesischen Importembargo für Abfallstoffe. Durch die Corona-Pandemie ist der Versandhandel stark gewachsen und mit ihm das Aufkommen der Versandverpackungen: Durch ihr größeres Volumen steigen auch die Kosten der Sammlung.
Eine besondere Herausforderung sind die Recyclingziele der EU. Bei Altpapier sieht es allerdings gut aus, hier hat Österreich das Ziel von 85 Prozent für 2030 bereits heute erreicht. Auch in anderen Bereichen (Eisenmetalle, Glas, Holz, Verpackungen und Siedlungsabfällen) sind wir auf gutem Weg, nur bei Kunststoffen und Aluminium gibt es noch größeren Nachholbedarf. Das übrige Europa ist jedoch zum Teil noch weit entfernt von den Zielen der EU.
Eine Verpackungsverordnungsnovelle wird die Lizenzierung sämtliche Gewerbeverpackungen vorschreiben sowie eine verpflichtende Registrierung für eine „Anfallstellennummer“ bei der Verpackungskoordinierungsstelle VKS (ausgenommen sind nur Selbstimporte und Großanfallstellen). Alle Verpackungen müssen an Sammel- und Verwertungssysteme übergeben werden, die Trennpflicht kann man jedoch an frei wählbare Entsorger übertragen. Positiv ist, dass die Sammelkosten von den Sammel- und Verwertungssystemen getragen werden müssen.
Einen großen Schritt in die Zukunft bedeutet der Green Deal der EU: Bis 2050 soll die Union CO2-neutral sein, Wirtschaft und Ressourcen voneinander entkoppelt sein. Die Zeitschiene für das Zwischenziel von 55 Prozent bis 2030 ist allerdings schon äußerst knapp. Die erforderlichen Pfandsysteme für Kunststoffe und Aluminium werden die Sortierkosten erhöhen. Abfälle ab 10 Tonnen müssen vom kommenden Jahr an bei Distanzen von mehr als 300 km mit der Bahn transportiert werden, sofern das möglich ist, ab 2024 schon ab 200 km, ab 2026 ab 100 km. Vorgeschrieben wird auch ein Wechsel der Verpackung von kunststoff- zu faserbasierten Verpackungen, wo dies möglich ist. Einweg-Kunststoffverpackungen müssen bis 2025 um 20 Prozent reduziert werden. Kunststoffverpackungen sollen bis 2030 recyclingfähig sein. Die Reduktion von Kunststoffverpackungen wird besonders vom Handel forciert, der Verpackungen so gestaltet sehen möchte, dass sie möglichst einfach recycelt werden können.
Angesichts dieser Welle von Veränderungen wünscht sich die Entsorgungsindustrie:
- Rechtssicherheit für Investitionen im Abfallbereich
- Einführung eines Batteriepfands
- Einheitliches Sammelsystem in Österreich und einheitliche Information für unsere Bürger
- Umstellung von einem Bring- auf ein Holsystem
- Pfandsystem: Akzeptanz der Digitalisierung, um den Rücklauf zu erhöhen
- Einnahmen aus Pfandschlupf müssen zweckgebunden verwendet werden
- Herstellerverantwortung forcieren
- Festlegung, ab wann eine Verpackung recyclingfähig ist!
- Individuelle Prüfung einer tatsächlichen stofflichen Rezyklierbarkeit und Zertifizierung nach anerkannter Methode
- Kennzeichnung des Verwertungsweges auf der Verpackung
- Zuordnung des richtigen Verwertungsweges (rot / gelb)
- Stärkere Produktverantwortung bei Verwertung über die Leichtverpackungssammlung
- Getrennte Erfassung direkt bei der Anfallstelle ermöglichen“
Der grüne Weg. Wie es war, wie es ist und wie es weitergeht
Martina Hörmer
Hörmer Consulting
„Der grüne Weg, der in Österreich zu Beginn der 1990er Jahre beschritten wurde, hat sich zum internationalen Erfolgsmodell entwickelt. Heute sind 26 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche und 20 Prozent der Betriebe biologisch bewirtschaftet. Diese Entwicklung war nur möglich dank „Ja! Natürlich“ und der engen Zusammenarbeit von Handel und Produzenten.
Im Juni 1994 stimmten die Österreicher über die EU ab, und bereits im Oktober startete „Ja! Natürlich“ mit der Idee, leistbares Bio anzubieten, eine Idee, die damals noch ganz neu war. Es gab viele, die nicht daran glaubten.
Von Anfang an war klar, dass der Erfolg nur über die Qualität möglich sein würde. Lebensmittel sollten wieder als solche, nämlich als Mittel zum Leben angesehen werden, natürlich gewachsen, echt und unverfälscht. So entstanden gänzlich neue Produkte, zum Beispiel die Freilandeier, ganz frische Tomaten, Brot, das ohne Zusatzstoffe gebacken wurde.
Eine neue Philosophie, zu der auch die Partnerschaften mit den Bauern gehört, die lokale Landwirtschaft und lokale Verarbeitung fördert. Diese neue Philosophie wurde in einer Charta niedergeschrieben, die die österreichische Landwirtschaft grundlegend verändert hat. Bio wurde von einem Programm des Verzichtens zu einem Programm des Genießens: Das Essen selbst veränderte sich.
Der Biomarkt wuchs stetig weiter und entwickelte sich zu einem Milliardenmarkt, fast jeder Österreicher kauft heute schon biologische Produkte. Die Corona-Pandemie brachte nochmals eine besondere Dynamik, denn Gesundheit und vor allem Resilienz standen nun im Mittelpunkt. Günstig war, dass die Preissteigerungen im Bio-Markt geringer ausfielen als im konventionellen Bereich, weil in der Bio-Landwirtschaft kein Kunstdünger eingesetzt wird und die Erzeugung von Kunstdünger sehr aufwendig ist und viel Energie benötigt.
Wie geht es weiter? Was braucht das Land? Von Anfang an hat sich die Bio-Bewegung gegen Massenproduktion gestellt und so auch eine soziale Dimension wirken lassen: Kleine Betriebe standen im Vordergrund, die Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt.
Unsere Gier nach Fleisch bringt den Planeten an den Rand des Abgrunds, derzeit werden 82 Mrd. Tiere gehalten, die extrem viel CO2, Energie und Wasser benötigen, ganz zu schweigen von dem mit der Massentierhaltung verbundenen Tierleid. In diesem Bereich tut sich viel, man versucht, Fleisch im Labor zu züchten, es gibt neue Prozesse der Fermentierung.
Für Green Packaging ist es wichtig, die Kreisläufe zu schließen, ganzheitlich zu denken. Anfangs dachten die Konsumenten bei der Verpackung nicht an Umweltverträglichkeit, heute ist das anders. Die Entwicklung geht in Richtung Faser, weg von Kunststoff. In diesem Bereich ist noch viel zu tun, noch immer landen jährlich 8 Mio. Tonnen Plastik im Meer.
Der Designtheoretiker Harald Gründl, Partner bei EOOS Design, hat das Konzept eines nachhaltigen Supermarktes entwickelt, der auch volle Kostenwahrheit berücksichtigt. In diesem Supermarkt werden ganz vorn regionale, lokale und saisonale Lebensmittel angeboten, erst weiter hinten finden sich dann Produkte, die die Umwelt stärker belasten. Dieser Supermarkt wird derzeit realisiert, um den grünen Weg Österreichs voranzutreiben.
Denn die Natur braucht den Menschen nicht. Es gibt keinen Planeten B. Aber es kann jeder seinen Beitrag leisten und etwas tun.“
Publikumsdiskussion
Den Vorträgen folgte eine lebhafte Diskussion unter der Leitung von Karl Stiefel (CASH Handelsmagazin) mit den drei Experten auf der Bühne und einem engagierten Fachpublikum.
Preisverleihung zum Carton Austria Award
Der Carton Austria Award zeichnet heuer zum fünften Mal die besten österreichischen Faltschachteln auf dem europäischen Markt aus. Ein Publikumsvoting sowie die Jury des CASH Handelsmagazins vergaben die Awards. Karl Stiefel (CASH Handelsmagazin), Hannes Schleich (Geschäftsführer MM Premium Vienna, Vorsitzender des Verbands der Faltschachtelindustrie) und Horst Bittermann (Pro Carton Director General) überreichten die Preise.
Public Award:
Croma pure HA von Rattpack aus Karton von Homen Iggesund
Bei der Jury-Entscheidung lagen zwei Preise gemeinsam an der Spitze:
Tortenbox Schloss Fuschl/Sissi-Turm von MM Packaging (MM Premium Vienna) aus Karton von Metsä Board
Kempinski Étagère von Rattpack aus Karton von Sappi
Horst Bittermann
Franz Alexander Predl
Martina Hörmer
Den Vorträgen folgte eine lebhafte Diskussion unter der Leitung von Karl Stiefel (CASH Handelsmagazin) mit den drei Experten auf der Bühne und einem engagierten Fachpublikum.
Public Award: Croma pure HA von Rattpack aus Karton von Holmen Iggesund.
Von links: Horst Bittermann, Julia Reiterer (Rattpack), Lisa Probst (Croma), Hannes Schleich, Vanessa Hader (Croma), Karl Stiefel
Tortenbox Schloss Fuschl/Sissi-Turm von MM Packaging (MM Premium Vienna) aus Karton von Metsä Board.
Karl Stiefel, Sascha Köck (MM Premium Vienna), Horst Bittermann, Hannes Schleich, Johannes Fuchs, Daniel Allissat (Schloss Fuschl), Klaus Gatterbauer (MM Premium Vienna)
Kempinski Étagère von Rattpack aus Karton von Sappi.
Horst Bittermann, Hannes Schleich, Martin Schmutterer (Rattpack), Karl Stiefel