Sensorische Verpackung

Welche Rolle spielen Sehen, Hören, Fühlen und Riechen in der Markenkommunikation? In einem Vortrag auf der gemeinsamen Marketingveranstaltung von Pro Carton und PROPAK Austria in Wien hat Markenberater Prof. Dr. Karsten Kilian sagte zum Thema Markenführung: Die Konzentration auf mehr als einen der Sinne ermöglicht eine erfolgreiche Differenzierung vom Wettbewerb. Hier sind einige der wichtigsten Aussagen aus seinem Vortrag.

Sehen, Hören, Fühlen, Riechen in der Markenkommunikation

Hier in Baden Württemberg gibt es einen Automobilhersteller, der sagt: "Das beste Mittel gegen das Identischsein ist: Identität." Eine sehr starke Marke, die über ihr Design erfolgreich ist: "Der 911. Unsere Identität. Design, das einzigartig ist." Woran erkennt man, dass ein Porsche 911 ein Sportwagen ist, außer an seiner Form und seinem Klang? Jedes Mal, wenn man sich in den Wagen setzt, merkt man das an einer Reihe von Dingen, von denen eines besonders auffällt: der Anlasserknopf auf der linken Seite. Er stammt aus der Zeit des Le-Mans-Starts, als es für die Fahrer praktisch war, das Auto mit der linken Hand zu starten, während sie mit der rechten Hand die Gänge einlegten. Diese Rennsporttradition wird bei Porsche fortgeführt. Und das sind genau die kleinen Signale, die auch bei der Verpackung zählen. Jeder, der diese Geschichte schon einmal gehört hat, erinnert sich gerne daran - "Le Mans und ich!" Nun, das ändert nichts am Produkt, aber es beeinflusst sicherlich unsere subjektive Wahrnehmung des Produktes. Und genau das ist es, was die Marke ausmacht, indem diese Attribute unter einem Markennamen zusammengefasst werden. Also: Sensorische Verpackung ist Markenkommunikation über alle Sinne.

Konkrete Markenbotschaften

Viele Unternehmen haben ihre Markenbotschaften nicht klar umrissen. Wenn man sie fragt, präsentieren sie ihr Designhandbuch, ihre Farben, Formen und Schriftarten. Viel wichtiger wäre es zu fragen: Warum gibt es euch, wofür steht ihr, was macht ihr hier eigentlich? Manche Unternehmen versuchen, Qualität und Tradition über Marken-Scorecards und entsprechende Systeme abzubilden, aber das kostet viel Zeit und Geld. Marken-Scorecards sind eher eine theoretische Übung. Ich glaube nicht an sie, sondern an etwas Konkreteres, das ich die C.O.R.E.-Markenwerte nenne. Dabei geht es darum, mögliche Markenwerte daraufhin zu überprüfen, ob sie
  • konkret, z.B. bedeutsam und inspirierend,
  • Original, d. h. auf der Grundlage des Unternehmens,
  • relevant für Kunden und
  • außergewöhnlich (im Vergleich zu den Wettbewerbern).

Bewegung Markenaktionen

Meine Kollegen von der Bergischen Universität Wuppertal, Tobias Langner und Alexander Fischer, haben "Motion Brand Actions" definiert als "markenspezifische Bewegungsabläufe, die von Unternehmen entwickelt werden, um den Konsumenten im Konsumprozess einer Marke zu leiten." Zum Beispiel die Wischbewegung auf Handys oder Tablets - mittlerweile versuchen Dreijährige, diese auf Fernsehgeräten zu kopieren. Apple hat sogar versucht, die einzigartige Handbewegung auf Smartphone-Bildschirmen schützen zu lassen, allerdings ohne Erfolg. Darüber hinaus kann man auch andere Sinne aktivieren, Geräusche erzeugen, taktile Erfahrungen machen oder Düfte aktivieren. Weitere Differenzierungsmerkmale sind die fußbetätigte Handbremse von Mercedes oder die Duschgelflasche in Form eines Handgriffs. Dies kann über den Namen geschehen, z. B. Bahlsen "Dip it!", idealerweise mit der passenden Verpackung. Fantastisch sind auch Kinder-Überraschungseier, die man sich ans Ohr hält und das Auspacken zelebriert: Sie sind ein bisschen Schokolade und ein bisschen Plastik und werden zu einem hohen Preis verkauft. Aus rein rationaler Sicht würde das niemand kaufen, aber es sind die Spannung und das Erlebnis, die zählen.

Verpackungen schaffen Mehrwert

Wenn wir über das Unterscheidungskriterium Verpackung sprechen, nennen die meisten Käufer den Preis. Stattdessen sollten wir versuchen, darauf hinzuweisen, dass die Verpackung eine der stärksten Verkaufshilfen ist, die es gibt - auch in der After-Sales-Phase. Es gibt eine Vielzahl von Verpackungen, die uns durch ihren Gebrauch leiten und stundenlang Botschaften aussenden. Wir müssen Produktunterschiede sichtbar machen, und wenn es keine Produktunterschiede gibt, dann kann die Differenzierung über das Design erreicht werden. Es stellt sich auch die Frage, wie die Verpackung einen Mehrwert bieten kann, um das Produkt interessanter zu machen und einen eigenständigen Wert zu schaffen. Das kann zum Beispiel in Form von Convenience sein, oder ein weiteres gutes Beispiel ist das Unboxing. Über das Öffnungsritual des iPhones wurde monatelang diskutiert - was kommt wann und wie wird es gehandhabt. Ein weiterer Aspekt ist der Glaubwürdigkeitsfaktor der Verpackung; ein interessanter neuer Aspekt, der auch in einer Studie elegant bestätigt wurde: Botschaften auf der Verpackung, die sehr nah am Produkt sind, haben eine viel größere Wirkung als Werbung, die weiter vom Produkt entfernt ist. Wenn ich geistig und körperlich nah am Produkt bin, dann wirkt die Werbung besser, vor allem, wenn die Botschaft auch zum Produkt passt. Wenn der Verbraucher wenig Wissen über eine Produktkategorie hat, dann ist die Wirkung noch stärker ausgeprägt. Deshalb ist ein Claim auf einer Packung wirkungsvoller als auf einer Plakatwand oder gar Fernsehwerbung. Ich sehe die Verpackung eher als eine Bühne. Wir müssen weg von der extremen Kostensenkung und mehr darüber nachdenken, wie wir mit einer Verpackung, die Schauspieler auf einer Bühne - in diesem Fall dem Produkt - inszeniert, Wünsche, im Idealfall sogar Glücksgefühle, wecken können. Ich glaube, hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotenzial. Die Verpackung ist das zweite, in vielen Fällen sogar das stärkere Produktmerkmal.

Sinnliche Katalysatoren

Verpackungen sind ein multisensorisches Medium. Überlegen Sie, wie oft und wie lange Sie eine Verpackung betrachten und sie möglicherweise auch beim Öffnen und Schließen hören. Manner-Kekse haben zum Beispiel ein typisches Aufreißgeräusch beim Öffnen, das sehr gut durchdacht ist. Und das Schöne ist, dass man sich das Design auch als 3D-Marke schützen lassen kann - wie im Fall von Toblerone - und es monopolisieren kann, solange man die Gebühren zahlt. Die Nervenzellen sind definitiv aktiver, wenn mehrere Sinne aktiviert werden, was auch als hyperadditiv bezeichnet wird. Zwei oder drei Wahrnehmungen führen nicht zu einer Dreifachwirkung, sondern zu einer fünf- oder achtfachen, im Extremfall sogar zu einer zehn- oder zwölffachen Aktivierung. Und genau darum geht es bei der Aktivierung: Jemand will das Produkt haben, und sein Gehirn mag es, weil viele Signale in die gleiche Richtung laufen. Alle Sinnesereignisse sollten sich gegenseitig ergänzen, denn unser Gehirn schätzt einfach die Harmonie. Zusammen mit dem direkten und passenden Bezug zur Marke wird die Markenpräferenz erheblich beeinflusst. Das ist der Prozess, und am Ende des Prozesses steht das Erlebnis. Das ist das Unboxing, das Benutzen der Verpackung; der Nutzer freut sich, wenn sie sinnvoll gestaltet ist, zum Beispiel zum Wiederverschließen. Mein Kollege Matthias Horx hat kürzlich gesagt: "Der Mensch ist nicht digital. Wir sind und bleiben Lebewesen aus Fleisch und Blut, die sich in einer analogen Welt, der Sinneswelt, orientieren." Die Verpackung von Produkten hat also eine fantastische Zukunft. Schließlich gibt sie Marken ein einzigartiges sensorisches Profil, das klare Präferenzen schafft. LINKS www.propak.at www.markenlexikon.com