Mehr fürs Geld
28 Juni 2016
Markeninhaber sollten sich zweimal überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Armin Angerer, einer der führenden Designer in Europa (Peter Schmidt Gruppe), ist der Meinung, dass man mit einer guten Verpackung mehr erreichen kann als mit einem TV-Spot. In vielen Fällen kann eine marginale Verschiebung des Marketingbudgets dramatische Auswirkungen haben.
Pro Carton: Herr Angerer, hat sich die Rolle der Verpackung in den letzten Jahrzehnten verändert?
Armin Angerer: Die Rolle der Verpackung hat sich nicht verändert und die einzelnen Werbebudgets sind nicht gestiegen. Allerdings müssen sich die klassische Werbung und die verschiedenen digitalen Medien mittlerweile die gleichen - oder sogar geringere - Ausgaben teilen. Dadurch hat die Bedeutung der Verpackung zugenommen: Mit einem Budget von etwa 150.000 bis 200.000 Euro kann man einen kompletten Verpackungsrelaunch durchführen, während man mit dem gleichen Geld einen 15- bis 20-sekündigen TV-Spot drehen kann, der höchstens einmal ausgestrahlt wird und im Grunde nichts bringt. Mit Verpackungen kann man mit weniger Aufwand eine viel nachhaltigere Wirkung erzielen.
Doch damit nicht genug: Die Verpackung ist ein wichtiger Kaufauslöser: 70 Prozent der Kaufentscheidungen werden vor dem Regal getroffen, nicht am Vorabend auf der Couch beim Film, sondern am nächsten oder übernächsten Tag oder am Wochenende im Geschäft. Später befindet sich die Verpackung in der Wohnung - im Kühlschrank oder im Bad - und wird mehrfach benutzt. Das vermittelt eine viel nachhaltigere Markenbotschaft und gleichzeitig ein Produkterlebnis. Verpackung und Produkt werden zu einer Einheit. Die Effizienz, der "Zauber" der Verpackung liegt in ihrer Nähe zum Produkt.
Eigentlich sollte die Verpackung in der Verantwortung des Marketings liegen, aber Produktion und Handling werden an den Einkauf delegiert. Das Marketing wird am erzielten Erfolg gemessen, der Einkauf hingegen an den eingesparten Kosten. Dies führt zu einem "Clash of Cultures", da das Marketing versucht, das Produkt z. B. durch Veredelung voranzutreiben, während der Einkauf am Einsparungspotential gemessen wird. Die richtige Vorgehensweise wäre natürlich, nicht das Billigste, sondern das Beste zu kaufen und nicht an der Qualität zu sparen.
Was meinen Sie, wenn Sie von der "Magie der Verpackung" sprechen?
Ohne Verpackungen wäre es ziemlich schwierig, zwischen Produkten zu unterscheiden. Und das ist die eigentliche Magie hinter der Verpackung: Sie macht aus einem Gebrauchsgegenstand eine Marke. Meiner Meinung nach ist die Marlboro-Verpackung ein perfektes Beispiel für die "Platinum Class". Der Marlboro-Schriftzug ist nur in Klarlack gedruckt, er hat eine fantastische Symbolik, ist absolut klar, einfach und unverwechselbar; er ist auf das Wesentliche reduziert. Die Gestaltung ist unauffällig, erzielt aber eine maximale Wirkung. Das ist Werbung vom Feinsten. Magie kann man auch mit Opulenz erreichen, es kommt immer auf das Produkt an, aber Unternehmen wie Nike, Marlboro oder Apple reduzieren das auf wenige Elemente und machen die ganze Marke lebendig. Das ist die Magie der Verpackung.
Mit gutem Design, unterstützt durch Technik und Veredelung, ließe sich über die Verpackung wesentlich mehr von der Markenbotschaft transportieren, als dies heute der Fall ist. Die Schwierigkeit liegt immer darin, den Nachweis zu erbringen, wie sich der Absatz, die Wertschätzung des Produktes erhöhen würde, wenn man nur mehr investieren würde. Aber es gibt genügend Beispiele, die zeigen, dass sich Investitionen tatsächlich auszahlen.
Was ist für Sie bei der Zusammenarbeit mit Ihren Kunden am wichtigsten?
Der wichtigste Teil der Arbeit eines Designers ist die Fähigkeit, zuzuhören. Design ist keine Kunst, denn Designer wollen, was sie tun, während Künstler tun, was sie wollen. Für den Erfolg eines Designers ist es entscheidend, dass die Kunden offen sind und ihre Probleme schildern. Dies erfordert ein gewisses Maß an Bescheidenheit. Man muss Fragen stellen, um gemeinsam zu den Grundlagen des Problems vorzudringen. Gutes Design kommt eigentlich vom Verstehen, und das macht das Leben eines Designers so spannend, weil man immer wieder in ganz neue Welten und neue Produktionstechniken eintaucht.
Was hat sich bei Verpackungen und Marken seit Ihren Anfängen verändert?
Die Produktionszeiten sind kürzer und die Produktionsmittel schneller geworden. Dies hat jedoch auch zu einer gewissen Oberflächlichkeit geführt, die zu kritisieren ist, und die Suche nach wirklich revolutionären neuen Lösungen ist nicht einfacher geworden. Der technische Fortschritt hat zu kürzeren Projektzyklen geführt. Dadurch bleibt tendenziell zu wenig Zeit für die entscheidenden Projektphasen, die nicht nur gute, sondern oft auch spannende und herausragende Lösungen hervorbringen können. Das führt dazu, dass oft für drei mögliche Lösungen eine Marktforschung durchgeführt wird und die Druckmaschinen gebucht und einsatzbereit sind.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollten kritische Fragen nicht erst gestellt werden, wenn das Projekt bereits läuft, sondern gleich zu Beginn, wenn die Ziele des Projekts definiert werden: Will der Kunde einen kleinen Relaunch oder eine Revolution? Im letzteren Fall ist jeder guten Agentur klar, dass die Messlatte hoch gelegt werden muss.
Es sollte auch versucht werden, alle Kompetenzen der Lieferkette so früh wie möglich zusammenzuführen, was sich jedoch oft als schwierig erweist. Der Grund dafür ist, dass die Lieferkette eine Domäne des Einkaufs ist und die Kunden oft den Eindruck erwecken, dass sie nicht wirklich wollen, dass wir mit den Lieferanten sprechen. Obwohl es für die Projekte von großem Vorteil wäre, wenn alle Beteiligten von Anfang an zusammenarbeiten würden, entscheiden die Kunden in der Regel erst am Ende, mit wem sie zusammenarbeiten wollen.
Andererseits ermöglicht es eine flexiblere Markenführung - früher kamen Verpackungsänderungen frühestens nach fünf Jahren, heute können sie in kleinen Schritten und kürzeren Abständen eingeführt werden. Editionen sind heute einfacher zu erstellen und das reicht von der individuellen Verpackung bis hin zur personalisierten Verpackung. Schnelligkeit hat also durchaus ihre Vorteile.
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für Sie? Ist Nachhaltigkeit die neue Premiumklasse?
Nachhaltigkeit ist in der Tat die neue Premiumklasse. Wenn wir uns anschauen, was die Verpackungsindustrie und die Designer den Markeninhabern anbieten, dann ist das Abfallvolumen riesig und es wird wenig davon recycelt. Nachhaltigkeit ist der zentrale Trend bei Verpackungen, und das ist auch gut so. Und Nachhaltigkeit ist eine große Stärke von Karton, deshalb hat Karton die besten Zukunftsaussichten. Andere Materialien lassen sich nur mit weitaus größerem Energieaufwand recyceln, zum Beispiel Glas - das zudem viel schwerer ist. Der CO2-Fußabdruck wird also umso größer, je größer die Entfernung zwischen z. B. Brauereien und ihren Kunden ist. Auch die Reinigung von Glas erfordert einen höheren Aufwand an Energiebilanz und Chemikalien. Der Werkstoff Karton hat also eine große Zukunft vor sich.
Nicht nachhaltige Materialien werden höchstwahrscheinlich teurer werden, und hier ist der Gesetzgeber gefordert, dafür zu sorgen, dass nachwachsende Rohstoffe unterschiedlich besteuert werden. Meine Hoffnung ist, dass nicht-nachhaltige Verpackungen auch weniger gekauft werden, denn letztlich hat der Verbraucher die größte Macht.
Wie verändert das Multi-Channel-Packaging das Szenario?
Ich glaube nicht, dass Multi-Channel die Verpackung grundlegend verändern wird. Das perfekte Beispiel ist die Verpackung des iPhones oder anderer Apple-Produkte: Sie zelebriert das Produkt, wobei eine Enthüllung auf eine weitere Enthüllung und noch eine weitere Enthüllung folgt. Hier wird der Prozess des Auspackens zu einem Ritual. Der Versandkarton ist natürlich aufwändiger gestaltet als der von Amazon. Wäre ich der Hersteller von exklusiver Kleidung, würde ich wahrscheinlich zwei verschiedene Verpackungen wählen, eine für das Internet und eine für das Regal. So hätte ich zwei Möglichkeiten, das Erlebnis im Einzelhandel in einen Wiederholungskauf zu verwandeln, und die Produktgeschichte müsste nicht noch einmal von vorne erzählt werden. Ich glaube, dass die Verpackung ihre ursprüngliche Funktion erfüllen sollte, die darin besteht, den Auspackvorgang und das Produkt zu zelebrieren, was oft vernachlässigt wird.
Es gibt auch Beispiele, die zeigen, wie Verpackungen für den Versand eine Markenbotschaft vermitteln. Zalando verwendet hochwertigere Versandkartons als Amazon, um eine andere Wahrnehmung der Marke zu gewährleisten. Solche Investitionen in die Marke scheinen sich zu lohnen.
Welche Rolle spielen elektronische Kommunikationselemente (z.B. QR, NFC) heute?
Sie spielen noch eine viel zu geringe Rolle. Da es bereits die Möglichkeit gibt, über den Digitaldruck personalisierte Verpackungen herzustellen, könnte man z. B. über NFC mit dem Kunden kommunizieren. Anstatt alle gleich zu beliefern, könnte man über das Smartphone einen persönlichen Kontakt herstellen, z.B. "eine Coca-Cola mit Ihrem Namen wurde an ein Geschäft in Ihrer Nähe geliefert" oder ähnliche Ansätze; der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
Ich glaube, es wäre gut investiertes Geld, wenn die Verpackung die digitalen Kanäle einbeziehen würde - und zwar in separaten Kanälen und nicht nur in den sozialen Medien. Die Verpackung hätte dann eine eigene digitale Projektionsfläche für die Kommunikation von Botschaften. Das sehe ich als Herausforderung und auch als klaren Vorteil.
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Pro Carton hat in zwei Studien gezeigt, dass sich Investitionen in Verpackungen auszahlen. Die >> "Touchpoint-Studie: Der Beitrag der Verpackung zum Marketingerfolg" zeigt an konkreten Beispielen, wie viele effektive Kontakte durch die Verpackung Ihrer Marken generiert werden. Im Medienvergleich zeigt die Studie >> "Verpackung: Ein Medium mit beträchtlicher Macht" zeigt, dass der Karton mehr ist als nur eine Verpackung, er ist ein eigenständiges Marketinginstrument und ein Werbekanal wie Fernsehen, Print oder Internet.